Menschen aus Afrika in der Schweiz

Von Robert Samo*

Alte und neue Vorurteile prägen das Bild, das man sich in der Schweiz von den Menschen aus Afrika macht.

Die Schweiz gehört zu den wenigen Ländern dieser Welt, die im Ruf stehen, die Eigenheiten verschiedener Regionen, Sprachgemeinschaften, Gemeinden, usw. zu respektieren.

Afrika ist nicht Afrika

Spricht man in der Schweiz jedoch von Afrika, könnte man paradoxerweise meinen, es gehe gerade um ein kleines Dorf. Es verwundert immer wieder, mit welcher Leichtigkeit vergessen wird, dass Afrika ein grosser Kontinent ist, dreimal grösser als Europa. Viele vergessen, dass Afrika 731mal grösser ist als die Schweiz. Wenn Eigenheiten innerhalb eines kleinen Landes respektiert werden, warum sollte man diese Möglichkeit nicht anderswo, in einem grossen Kontinent wie Afrika, in Erwägung ziehen?

Eine mögliche Erklärung liegt im kollektiven Unterbewusstsein der Schweiz und der westlichen Welt im Allgemeinen, das die Schwarzen für eine minderwertige Rasse hält, obwohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anerkennt, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Diese Vorstellung von der Minderwertigkeit der Schwarzen hat für einige AfrikanerInnen ihre Wurzel in der Bibel, in Noahs Fluch über seinen Sohn Ham.

Hat man einmal angenommen, dass Schwarze minderwertige Menschen sind, so wird es leicht sie der Faulheit, der Falschheit, des Drogenhandels, usw. zu bezichtigen, zu vertreten, was nicht vertreten werden kann, und zu rechtfertigen, was nicht gerechtfertigt werden kann.

Afrika verzeichnet für sich allein die Hälfte der Flüchtlinge auf dieser Erde, obschon der Kontinent nur 600 Millionen EinwohnerInnen, ein Viertel der Weltbevölkerung, zählt. Dazu kommen weitere rund zwei Millionen Vertriebene, die den Kontinent auf der Suche nach einem ruhigen und geschützten Ort durchstreifen.

Jenseits der negativen, gelegentlich böswilligen und völlig unbegründeten Vorurteile liegt die Furcht vor dem Unbekannten. Es ist nicht zu leugnen, dass Unbekanntes Furcht erregt und dass Furcht zwar bezwungen, aber nicht beherrscht werden kann.

Wenn AfrikanerInnen mit den Behörden zu tun haben, erfahren sie eine besonders strenge, fast schon diskriminierende Behandlung. Ohne eigene Lobby bleiben die AfrikanerInnen angesichts solcher Ungerechtigkeiten ohnmächtig. Bestimmte Justiz- und Polizeibehörden machen keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber den afrikanischen Menschen, seien sie nun MaghrebinerInnen (und damit alles MuslimInnen) oder Schwarze (mit allem, was der Begriff "Schwarz" an negativen Konnotationen mit sich führt).

Die Politik der Kolonialstaaten, die darin bestand, den Chauvinismus aufzustacheln und so die nationalen Widerstandsgruppen gegeneinander auszuspielen, verunmöglicht die Bildung einer Bewegung, die mobilisieren und Druck ausüben könnte, und sei es auch nur in der afrikanischen Diaspora. Die Schwierigkeit, eine Lobby auf die Beine zu stellen, um den afrikanischen Forderungen Gehör zu verschaffen, beruht auf der tatsächlichen und der verborgenen Spaltung unter den AfrikanerInnen selbst. Um zu beweisen, dass diese sektiererische Praxis gegenüber Menschen aus Afrika keine schweizerische Besonderheit, sondern Bestandteil der westlichen Denkweise ist, wollen wir als Beispiel die Kriegsopfer aus Kosov@ mit den Opfern des Genozids in Ruanda vergleichen. Die AfrikanerInnen werden wie Schurken betrachtet, wobei ihnen selbst nicht klar ist, was man ihnen im Westen vorwirft, nämlich, dass sie schwarz sind.

In der Los Angeles Times vom 21. Mai 1999 veröffentlichte eine Person aus dem Umfeld des UNO-Hochkommissar-iats für Flüchtlinge folgende Vergleichselemente:

•  Die Ernährung eines afrikanischen Flüchtlings kostet elf Cents im Tag; auf dem Balkan belaufen sich diese Kosten auf das Elffache.

•  Bestimmte Flüchtlingslager in Afrika verfügen über einen Arzt/eine Ärztin für hunderttausend Flüchtlinge; in Makedonien wird ein Arzt/eine Ärztin für siebenhundert Flüchtlinge benötigt.

•  Einige afrikanische Flüchtlingslager nehmen bis zu 500 000 Menschen auf, das grösste makedonische Flüchtlingslager 33 000.

Diese Liste könnte noch weitergeführt werden.

Alle AfrikanerInnen sind Flüchtlinge

Auch die AfrikanerInnen, die in der Schweiz wohnen, sind Flüchtlinge, denn arbeiten oder nicht arbeiten bedeutet für sie ein Problem.

Angesichts der barbarischen Kriege und der mehr oder weniger organisierten und hauptsächlich von aussen in Gang gehaltenen Vertreibungen, ist es schwer für jene, denen die Flucht gelingt und die zufällig in der Schweiz landen, wenn man ihnen sagt: "Du hast kein Recht zu arbeiten, und wenn doch, so wird die Stelle bei gleichen Voraussetzungen einem Schweizer zugesprochen." Asylsuchende, die Opfer der unmenschlichen Politik ihres Landes wurden oder vor ihr geflohen sind, trauen sich nicht, sich zu engagieren, um am Befreiungskampf ihres Volkes teilzuhaben, denn sie fürchten, dem Gastland zu schaden – obwohl dieses sich nicht schämt, seine guten Beziehungen zu den Regierungen ihrer Heimatländern weiter zu pflegen, selbst auf die Gefahr hin, die Flüchtenden zu verraten. Sich politisch zu betätigen wird so zum Verbrechen. Und vor allem: wer arbeitet stört und wird scheel angeschaut, weil er oder sie angeblich einem Einheimischen den Arbeitsplatz wegnimmt.

Wer nicht arbeitet, stört ebenfalls, denn darin glaubt man den Beweis für die Faulheit dieser Person zu sehen, die zudem noch auf Kosten der Steuerpflichtigen besser lebt als die armen Einheimischen ("die Alten", "die Arbeitslosen").

Es wird alles unternommen, um die AusländerInnen und ganz besonders die AfrikanerInnen daran zu hindern, in die Schweiz einzureisen. Der Fall der Algerier, über die neulich viel gesprochen wurde, ist von Bedeutung, denn alle wussten, dass ihr Leben in Gefahr war. In derselben Lage wie die algerischen Flüchtlinge erhielten jene aus Kosov@ während über fünf Jahren periodisch erneuerbare Bewilligungen, bis sich die Situation in ihrem Lande bessern würde. Die Kosov@-AlbanerInnen sind eben weiss, die AlgerierInnen nicht wirklich.

Wenn jemand in diesem Land wohnt und arbeitet, Steuern zahlt und von niemandem abhängig ist – welche Bedeutung hat es da noch, ob er oder sie AusländerIn oder AfrikanerIn ist?

*Robert Samo ist Mitarbeiter der Zeitschrift "Regards africains".

Afrika in der Schweiz

Es gibt heute rund 50 Vereinigungen aller Art, in denen sich AfrikanerInnen in der Schweiz zusammengeschlossen haben. Eine Liste kann beim 1995 gegründeten Dachverband Coordination des associations africaines (CAAS) bezogen werden.

CAAS, Case postale 2210, 1211 Genève 2.

Viermal jährlich (in französischer Sprache) erscheint die Zeitschrift Regards Africains, liebevoll ‘Regaf‘ abgekürzt, herausgegeben vom gleichnamigen, in Genf angesiedelten Verein, der 1982 von ExilafrikanerInnen und SchweizerInnen gegründet wurde. Ausserdem gibt Regaf monatlich ein Veranstaltungskalender (Agenda Culturel) heraus, der alle Kurse, Filme, Ausstellungen, Konzerte, Vorführungen, Lesungen und weitere Anlässe in der Schweiz enthält, die Afrika betreffen oder in einer Beziehung zu Afrika stehen.

Regards Africains, Case postale 46, 1211 Genève. Tel. 022/343 87 93

Der Treffpunkt Schwarzer Frauen (Black Women‘s Meeting Place) in Zürich wurde Anfang der 90er Jahre ins Leben gerufen und richtet sich explizit nicht nur an Afrikanerinnen. Die Initiantinnen betreiben einerseits eine Beratungsstelle, andererseits leisten sie Öffentlichkeitsarbeit für ihre Anliegen. Jeden letzten Freitag im Monat laden die Initiantinnen zu einem öffentlichen Mittagstisch ein.

Treffpunkt Schwarzer Frauen, Afro-Zentrum Manessestrasse 73, 8003 Zürich. Infos und Beratung: 01/8533697 (Mo–Do, jeweils 10–12.30 Uhr).

Das Afrika-Komitee konnte 1998 sein 25jähriges Bestehen feiern. Vierteljährlich erscheint das Afrika-Bulletin, das jeweils ausführlich über politische, soziale und kulturelle Themen in und um Afrika berichtet.

Afrika-Komitee, Postfach 1072, 4001 Basel. Tel 061/692 51 88, Fax 061/261 62 22


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